Filmbeschreibung


Nostalgische Reise in die ehemaligen Deutschen Ostgebiete 
ein Film von Roland Schmidt

Der Titel fällt auf. Eine Reise in die Masuren oder eine Reise nach Ostpommern oder nach Polen, auch so hätte er lauten können. Tatsächlich ging’s auch in die Masuren. Aber Roland wollte wohl mit seinem Titel einen anderen Akzent setzen. Das kommt dann am Schluß raus: Dieses Land, das ich Euch heute zeige, war mehr als siebenhundert Jahre deutsches Land, bis ein sogenannter „Großer Feldherr“ es in 12 Jahren seiner Herrschaft fertig gebracht hat , daß es heute nicht mehr zu Deutschland gehört. Aber nun erst mal der Reihe nach.

Die Busfahrt ging über Stettin, Stolpe, Danzig nach Nikolaiken, und hier sind wir schon in den Masuren. Von Seen ist allerdings weithin nichts zu sehen, sie waren noch zugefroren. Ein etwas ungewohntes Bild dieser bekannten Seenlandschaft, auf der sich, wie man von anderen Bildern kennt, im Sommer viele Paddler und Segler tummeln. Auf dem Rückweg ging’s auch noch an der Wolfsschanze vorbei, jener berühmt-berüchtigten Kommandozentrale im letzten Weltkrieg, die jetzt weitgehend gesprengt ist. Auch Thorn, der Geburtsstadt des Nikolaus Kopernikus an der Weichsel wurde ein Besuch abgestattet wie ebenso Posen mit seinem Renaissance-Rathaus und den vielen schönen Patrizierhäusern.

Der Autor zeigt uns in diesem Film viele schöne Kameraeinstellungen von Gebäuden und Sehenswürdigkeiten, Stadtansichten und Landschaften: die Hafenterrasse in Stettin mit Blick auf die Oder, das Schloß der pommerschen Herzöge. die herrliche Altstadt von Danzig, das Rathaus mit dem Glockenspiel, den Marktplatz, das goldene Tor, die Marienkirche, von außen wuchtig, drinnen elegant, historische Baukultur pur. Viele dieser schönen Aufnahmen sind in Großformat. Man erkennt an ihnen, daß die polnischen Stukkateure sicher nicht zu den schlechtesten in Europa zählen. In Nikolaiken eine Kirche, die an Nikolaus Kopernikus erinnert, der das mittelalterliche Weltbild auf den Kopf gestellt hat, und ein riesiges Hotel mit 1000 Betten und einer großzügig angelegten Freizeitanlage mit diversen Schwimmbecken, überdacht, draußen lag noch Schnee. Eine Folkloregruppe gestaltet ein Tanzprogramm in bunten Kostümen, schön anzusehen und mit Inserts gekonnt aufgelockert. 

Der Ausflug zur Wolfsschanze gehört heute wohl schlechthin zur Touristenattraktion in dieser Region: 2 Quadratkilometer Betonlandschaft aus alten Bunkerresten, das so langsam mehr und mehr zuwächst. Ein Infocenter erinnert an das, was sich dort abgespielt hat, auch an das Attentat. Und dann lernten wir noch die Kirche Maria von der Linde kennen, in der eine grandiose Orgel steht, mit einem herrlichen Prospekt. Das besondere daran sind die Engelfiguren und Putten mit Musikinstrumenten sowie ein Glockenbaum und Flöten, die sich ständig bewegten. Ein bißchen kitschig ist das ja schon. Dafür aber war das Orgelkonzert, das wir auszugsweise hörten, ein besonderer Genuß. Zum Glück spielte der Organist nicht Bach, sondern ein frisches modernes Stück mit romantischem Orgelklang, was zu dieser Orgel paßte. Und dann ging die Fahrt wieder in die Masurische Wildnis: zugefrorene Seen, aus denen urwaldartig Hölzer und Baumstämme herausragten. Als Frühlingsboten konnte man bereits die ersten Blüten sehen. Sonst war die Landschaft allerdings saisonbedingt mehr grau in grau. Erstaunlicherweise waren die Zugvögel schon zurückgekehrt, besonders die Scharen von Störchen, die sich auf den Dächern der Bauernhäuser offensichtlich sehr wohl fühlten. Diese Landschaft dort wirkte auf mich ein wenig triste und melancholisch, das lag sicher daran, weil das frische saftige Grün eben noch fehlte. Die Zeit schien irgendwie stehengeblieben zu sein.

Roland hat in seiner gekonnten Manier diesen Film zu einem interessanten Dokument seiner Reise zusammengeschnitten, mit einem gut gesprochenen Kommentar. Die Szenen sind abwechslungsreich, die Aufnahmen - wie kann es bei Roland auch anders sein (?! )- perfekt. Er führt uns am Anfang anhand seiner Reisekarte aufschlußreich in den Ort des Geschehens, interessante Busfahrtenausschnitte werden als Übergänge zu den einzelnen Stationen geschickt genutzt, und am Ende wird die Reise nochmals sehr gut in wesentlichen Bildern zusammengefaßt. 
Das einzige, was ich ändern würde, wäre der Kommentar am Schluß über den „Großen Feldherrn“, der zwar sarkastisch gemeint ist, aber eigentlich nicht recht hineinpaßt in diesen eindrucksvollen Film.



Bewertung: 4,10



Raimund Wildenhof