Filmbeschreibung


SHANGHAI - Stadt zwischen Boom und Tradition
ein Film von Artur Westenberger

Der Film beginnt mit einer guten Übersicht von China, wo es liegt, an was es grenzt und wie sich die 5000-jährige Tradition heute noch zeigt: in Musik auf alten Instrumenten, in Spielen und Tänzen in historischen Kostümen und an den einmaligen Bauwerken der Terrakottakrieger und der chinesischen Mauer. Und dann kommen wir gleich nach Shanghai. Das ist die Stadt, die zunächst kaum etwas mit der Antike zu tun hat, wie es scheint. Dort überwiegt die neue Zeit, das Tor zum Westen, die Moderne. Es ist die 3.größte Stadt, sie liegt mit dem 3.höchsten Turm am 3.längsten Strom der Welt, so hören wir. Und nun zeigt uns der Autor eine Fülle von interessanten Aufnahmen: an der Uferpromenade und auch in der Hauptgeschäftsstraße mit pulsierendem Leben von modern gekleideten jungen und älteren Menschen, dazwischen fährt eine moderne Touristen-Trambahn, aber nicht auf Schienen. Jede Menge Leute, schwatzend, fröhlich, geschäftig, die, wären nicht die Schlitzaugen und die komischen Zeichen auf den Reklametafeln an den Häusern, durchaus in New York flanieren könnten. Denn auch riesige Hochhäuser, Bauten in supermodernem Stil und Wolkenkratzer fehlen nicht. Das Lebensinteresse, das spürt man an diesen Aufnahmen, geht eindeutig nach Westen. Dieser Eindruck wird während einer nächtlichen Fahrt noch verstärkt: brillanter Lichterglanz, vielfarbig, laufende Reklamebilder – wie in Amerika. Dann gibt es aber auch Nebenstraßen, in denen es wesentlich „chinesischer“ zugeht, so wie man eben die Erscheinungsformen dieser Kultur im Gedächtnis hat. Der Unterschied ist schon gewaltig. Man erkennt es sofort an den älteren aber durchaus auch gepflegten Gebäuden mit den kunstvollen Verzierungen und Figuren und den typischen Dächern und meint, die Zeit sei etwas stehengeblieben. Während einer Hafenrundfahrt in einer modernen Barkasse sehen wir ein- und auslaufende Schiffe verschiedener Größe, andere, deren Ladung am Kai gelöscht wird. Vor allem aber werden wir auf zwei unterschiedliche Ufer aufmerksam gemacht: auf dem einen alte Lagerschuppen und verrostet erscheinende Kräne und auf der Seite gegenüber das moderne Hochhausviertel mit den Wolkenkratzern und herrlichen modernen Gebäuden, das erst vor gar nicht langer Zeit auf einem trockengelegten Sumpfgebiet erbaut worden ist. Shanghai liegt am Huangpu: der Fluß mündet über den Yangtsee direkt ins chinesische Meer. Das ist die Voraussetzung dafür, daß diese Stadt heute der größte Hafen Chinas ist und sich deswegen so enorm schnell entwickelt hat,.

Bei einer Stadtrundfahrt zum nächsten Touristenziel, einem großen Buddhatempel geht das Kontrastprogramm weiter. Ganze Stadtbezirke werden dem Erdboden gleichgemacht, um für neuere Bauten Platz zu schaffen. Die Transrapidbahn „fährt“ zwar noch nicht, aber man sieht schon die Stelzen, auf denen sie einmal mitten durch die Stadt rasen wird. Im Buddhatempel selbst ist es wieder typisch chinesisch: große Statuen, auch kleinere, liegende und stehende Buddhas. Einen Großteil darf man nicht filmen (Artur hat es aber doch getan!) und an einigen Wandbildern wird die Geschichte Buddhas erzählt, eines jungen Prinzen aus dem Adelsgeschlecht, der aufgrund einer inneren Erleuchtung zum Mönch wurde und dann nach harter Askese im Kreis anderer Mönche zum Religionsbegründer aufstieg. Vor dem Tempel reißen sich einige Menschen um diverse Zettel (alte Lose, Gutscheine, verfallene Geldscheine?), die sie gleich vor Ort verbrennen und deren aufsteigender Rauch sie später leichter in den Himmel bringen soll. In einer Teestube, die sich in einem schönen traditionsreichen Garten befindet, der bereits 1550 angelegt worden war, erfahren wir nebenbei, dass das Leben dort sehr teuer sei. Auf Showeffekte aus hantieren Köche an einer riesigen Herdplatte, dass man die vorher vom Kunden zusammengestellten und gegarten Mahlzeiten mit gekonntem Schwung in senkrecht gehaltene Teller schleudern kann, ohne dass etwas zu Boden fällt. Und mit Akrobatik in einem Circus hört der Film dann auch auf. Am Boden und an Seilen werden von erstklassigen Artisten ganz tolle Kunststücke gezeigt. Dafür sind die Chinesen ja bekannt.

Eigentlich ist es ein Urlaubsfilm, oder besser gesagt, ein Teil einer Chinareise. Daß da Urlauber vorkommen, sieht man in der Person des Autors selbst und der ihn und seine Frau begleitenden Gruppe. Daß er seine Reise nach China in verschiedene Filme unterteilt hat, ist schon lobenswert. Aber noch lobenswerter sind die vielfältigen und kontrastreichen Bilder der Stadt, die Artur hervorragend filmte, recht ordentlich schnitt und mit seinem locker gesprochenen Kommentar informativ und gut dem Zuschauer rüberbringt. Es gibt eben nicht nur Häuseraufnahmen und solche von Tempeln und Göttern mit all ihren Begleitfiguren, auch die Menschen kommen nicht zu kurz, und zwar häufig auch in schönen Großaufnahmen. Der Autor hat das pulsierende und kontrastreiche Leben dieser Stadt zwischen Moderne und Tradition eindrucksvoll eingefangen. Dafür gebührt ihm ein großes Lob. Und für alle, die noch nicht dort waren, hat sich eine Wissenslücke geschlossen mit dem geheimen Wunsch, (vielleicht?) auch mal dorthin zu fliegen.

 

Bewertung: 3,9500

 

Raimund Wildenhof