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Die Interviewart mit der
ausgefeiltesten Fragetechnik
von Gerhard Steiner

 
Die Interviewart mit der ausgefeiltesten Methodik ist das

  Investigative Interview
ausgeführt von einem schreibenden Journalisten
zur Sammlung und Aufdeckung von Fakten
für eine journalistische Story.


Deshalb hat diese Methodik auch die ausgefeiltesten Regeln, die später für andere Interviewarten nur noch abgewandelt oder leicht ergänzt werden müssen. Der Journalist will von dem Befragten etwas herausbekommen, das bisher in der Allgemeinheit nicht bekannt ist.

  Deshalb benutzt er eine Methodik,
mit der er auf möglichst kunstvolle Weise
ein Maximum an Information
mit größtmöglichem Wirklichkeitsgehalt
aus einer befragten Person herausholen kann.

Dazu haben sich im Journalismus empirisch die nachfolgenden Regeln ergeben. Sie können zusammengefaßt werden unter der Überschrift


Was bei Interviews zu beachten ist:

  1. Seien Sie vorbereitet
    • sonst kann es sein, dass Sie gar keine Antwort bekommen


  2. Vorbereitung läßt Sie gute Fragen stellen,
    und signalisiert dem Befragten,
    dass Sie nicht einfach abgespeist werden können.
    • Lesen Sie vorher alles, was Sie über den Befragten
      und die zu untersuchende Materie in Erfahrung bringen können.

    • Eine Voraussetzung für ein gutes Interview
      ist die sorgfältige Kenntnis über den Befragten und das Thema,
      damit sich eine Art "Intimität" über das Thema
      zwischen dem Befragten und dem Journalisten einstellen kann.


  3. Werden Sie sich zuerst darüber klar:
    Was ist das beabsichtigte Thema für die Story, und
    welche denkbaren Antworten passen zum Thema ?

    • Mit diesen Gesichtspunkten im Sinn
      können Sie eine Liste von passenden Fragen vorbereiten!

    • Für ein spontanes, entspanntes Gespräch ist es gut,
      eine Liste mit Fragen vorbereitet zu haben!

    • Dann können Sie beruhigt und locker sein,
      weil Sie mit ihrer Liste keine wichtigen Fragen vergessen werden.


  4. Formulieren Sie Ihre Fragen auf neutrale Art.
    Nicht so:      "Stimmen Sie zu, dass der Minister zurücktreten sollte?"
    Sondern so:  "Was halten Sie von den Vorwürfen, die gegen den Minister erhoben wurden?"

    • Mischen Sie offene Fragen wie :
    • "Erzählen Sie uns etwas über Ihre Begeisterung für Motorräder!"
      mit geschlossenen Fragen:
      "Wie lange sind Sie schon Mitglied im Biker-Verein?"
    • Geschlossene Fragen bringen Grundinformation.
    • Offene Fragen ermöglichen Antworten und Informationen zu bekommen,
      die nicht vorhersehbar sind.


  5. Überlegen Sie, wie Sie sich zum Interview anziehen sollten.

    • für einen Fußballspieler ziehen Sie sich anders an
      als für einen Bürgermeister
    • meiden Sie bei Ihrer Kleidung alles,
      was als Affront, als unverschämt, nachlässig, oder rebellisch
      gewertet werden kann.


  6. Betrachten Sie Ihr Treffen mit dem Befragten als ein
    zwar strukturiertes aber freundliches Gespräch.

    • und nicht als formelles Interview

    • Reine Frage- und Antwort-Form ist gut für die Waschmittelwerbung,
      aber nicht für das Herausfinden, was Menschen bewegt.

    • am besten läuft es, wenn Sie miteinander sprechen und zuhören.


  7. Versuchen Sie eine menschliche Beziehung zu dem Befragten herzustellen.

    • Sie sollten am Anfang etwas warten,
      bevor Sie Ihr Notizbuch mit den Fragen herausholen.

    • Der Anfang Ihres Treffens kann entscheiden,
      wie der Rest Ihres Interviews läuft.

    • Wenn Sie mit dem Befragten ein gemeinsames Hobby,
      Interesse oder einen gemeinsamen Freund haben,
      dann lassen Sie ihn das unbedingt wissen.


  8. Schauen Sie dem Befragten in die Augen,
    hören Sie aufmerksam zu und lächeln Sie !

    • Ein Lächeln gehört zu einem guten Augenkontakt.

    • Beides zusammen läßt die Worte sprudeln.

    • Ein Lächeln läßt sowohl Sie als auch den Befragten entspannen.


    Wenn der Befragte spricht,
    dann nicken und reagieren Sie mit kurzen Bemerkungen,
    um zu zeigen, dass Sie zuhören und verstehen.

    • Setzen Sie sich auf die Vorderkante des Stuhls
      und lehnen Sie sich nach vorne

    • Das ist eine Körperhaltung, die Interesse und
      positive Einstellung signalisiert


  9. Achten Sie darauf und machen Sie Aufzeichnungen darüber,
    was der Befragte für eine Körpersprache zeigt,
    welche Manierismen er hat,
    wie er angezogen ist,
    welche körperlichen Merkmale er hat, und
    mit welchen Besonderheiten er auf andere reagiert.

    • Damit können Sie für Ihre Leser besser beschreiben
      und Dinge aufdecken, die nicht gesagt wurden

    • machen Sie lieber zu viele als zu wenige Notizen.


  10. Konzentrieren Sie sich auf das, was der Befragte sagt,
    und nicht auf Ihre nächste Frage.

    • Ihre nächste Frage wird besser sein,
      wenn Sie die Antwort zur vorausgehenden erfaßt haben.

    • Hören Sie mit kritischem Verstand zu.

    • Fragen Sie sich:
    • "Verstehe ich, was der Befragte sagt?"
    • Falls nein, bitten Sie um eine Wiederholung oder Erläuterung.

    • Beachten Sie, über was nicht gesprochen wird!

    • Läßt der Befragte ein Thema bewußt aus?


  11. Weiteres Wichtige:

    • Unterbrechen Sie nicht!

    • Stellen Sie keine zu langen Fragen!

    • Sprechen Sie nicht zu viel!

    • Fordern Sie den Befragten nicht zu früh heraus!

    • Hören Sie sich seine Meinung an und bieten sie keine eigene an!

    • Trotzdem, wenn Sie gelegentlich von sich selbst etwas preisgeben,
      können Sie leichter eine menschliche Beziehung herstellen

    • Bieten Sie Ihre eigenen Gedanken oder Beobachtungen an,
      aber tun Sie das ganz spärlich.

  12. Halten Sie die eigenen
    körperlichen und geistigen Reaktionen unter Kontrolle!

    • Wenn der Befragte spürt, dass Sie ihn oder seine Meinung ablehnen,
      wird das Interview schief gehen

    • Wenn der Befragte Sie durch sein Heim, sein Büro,
      seine Fabrik mitnehmen will, dann akzeptieren Sie das Angebot
      und notieren Sie, was Sie sehen.


  13. Fangen Sie mit einfachen Fragen an

    • z.B. zur Biographie

    • fragen Sie nach Beispielen oder Anekdoten

    • verwenden Sie die Liste ihrer Fragen und kommen Sie häufig zu ihr zurück

    • Ein Interview ist sehr viel wie ein Gespräch,
      aber
    • Sie müssen das Gespräch leiten!
    • Sie müssen wissen, was Sie wollen,
      und
    • Sie müssen dahinter her sein!

  14. Wenn der Befragte das Interview
    in eine unerwartete Richtung dirigiert,
    dann gehen Sie mit.

    • aber denken Sie daran,
    • Sie leiten das Interview.
    • Sorgen Sie dafür, dass Sie an Ihrem Ziel ankommen,
    • und prüfen Sie das zwischendrin immer wieder.
    • Stoppen Sie nach 1 Stunde.

    • Seien Sie darauf gefaßt, dass das beste Material
      manchmal erst kommt, wenn Sie das Ende erreicht
      und dem Befragten für seine Hilfsbereitschaft gedankt haben.

    • Fragen Sie danach, was die Zukunft bringen wird.


  15. Machen Sie Genauigkeit zu Ihrem Prinzip.

    • Seien Sie sicher, dass Ihre Zitate richtig sind,
      andernfalls bringen Sie mehr indirekte Rede

    • Fragen Sie nach der richtigen Schreibweise.

    • Geben Sie nicht vor, etwas zu wissen, das Sie nicht wissen.

    • Fassen Sie vor dem Befragten in Ihren eigenen Worten
      die Hauptpunkte zusammen und sagen Sie:
      "Lassen Sie uns sehen, ob ich das verstanden habe. Sie meinen, ..."


  16. Sagen Sie dem Befragten, dass Sie ihn nochmals anrufen
    oder nochmals zu ihm kommen, um Fakten zu prüfen,
    und tun Sie das auch, wenn Sie mit der Story fast fertig sind.

    • Nutzen Sie das angekündigte Gespräch als 2. Interview.

    • Stellen Sie Fragen zu Bereichen, die Sie nicht ganz verstanden haben,

    • oder zu Bereichen, die jetzt Teil der Story sind,
      aber beim ersten Interview nicht richtig abgehandelt wurden.


  17. Ein guter Reporter versucht immer,
    möglichst wirklichkeitsnah zu berichten!

    • Das setzt voraus, dass er auch im Interview
      möglichst dicht an die Wirklichkeit herankommt.

    • Stellen Sie die Fragen so, dass Sie möglichst
      die eigentliche Wirklichkeit aufdecken und berichten können.

    • Gehen Sie davon aus, dass es Material gibt,
      das Ihr Befragter kennt, und bereit ist, Ihnen zu erzählen
      und Sie auch darüber berichten zu lassen.
      Das ist die
    • berichtbare Wirklichkeit.
    • Dinge, die Ihr Befragter kennt, Ihnen auch erzählt,
      aber sie nicht für einen Bericht freigibt,
      machen die sog.
    • private Wirklichkeit aus.
    • Dinge, die Ihr Befragter kennt, Ihnen nicht mitteilt,
      geschweige denn Sie darüber berichten läßt,
      machen die sog.
    • eigentliche Wirklichkeit aus.
    • Streben Sie immer danach,
      durch Einsatz aller legalen und ethischen Mittel,
      diese eigentliche Wirklichkeit
      aufzudecken und darüber zu berichten.

 

 

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